Sie schafft es jedes Mal auf´s Neue. Komme ich ihr nahe, fließe ich dahin. Ein wahrer Zauber liegt auf diesem Ort, den es so nicht noch einmal gibt auf Erden.
Klingt sicher pathetisch, aber dieser Ton ist Venedig angemessen. Denn jedes Mal werde ich magisch in den Bann genommen von diesem unnachahmlichen Flair. Die morbide Ausstrahlung und das immer gegenwärtige Wasser in den unzähligen Kanälen machen mich erneut langsamer und bedächtiger. Ja, es ist wie der Eintritt in die Ruhe und Beschaulichkeit. Es fühlt sich an nach einem Tagtraum. Man empfindet einen Ort, der einem Unterschlupf bietet vor Hast und der üblichen Last des Alltages.
Für Fotografen gibt es wohl kaum eine schönere, anziehendere Kulisse als Venedig. Auf Schritt und Tritt bieten sich neue Motive und Perspektiven.
Fotografie lässt sich in dieser Umgebung betreiben, wenn man seine Schritte verlangsamt, seine Gedanken weich bettet und sich aus der Fülle der optischen Angebote und Reize sein Bild aufbaut, die Lust an dieser Stadt im Licht ordnet und gestaltet.
Wie bei allen Reisen, gilt es für uns Referenten heraus zu finden wie wir den Einzelnen unterstützen können. Da gilt es nicht nur die vorhanden Kenntnisse der Teilnehmer zu erkunden, sondern auch den richtigen Ansatz zu finden, auf die spezielle Art einzugehen. Ist Geduld vorhanden, um Neues sortiert und konzentriert aufzunehmen, oder muss erst eine Struktur geschaffen werden, um die Gedanken zu ordnen und Schritt für Schritt in die Materie einzuführen.
Im Schneckentempo
Unser Rundgang durch Dorsoduro bietet die ideale Gelegenheit. Dazu bewegen wir uns im Schneckentempo durch die Gassen und über die Plätze des Stadtteils. Ist der eine schon bewandert in der Fotografie und möchte vor allem selektive Defizite ausfüllen, sucht der andere vor allem erst einmal den richtigen Weg zum Auslöser der Kamera. Dabei dann gleich alles verstehen zu wollen, stiftet eher Verwirrung: Blende, Zeit, Iso, Bildaufbau, Goldenen Schnitt, Grauwert, Freistellen und, und, und…. . Geduld ist angesagt in diesem Fall, und die fühlt sich in Venedig besonders wohl. Neben all den Begriffen und ihren Inhalten und Hintergründen, gilt es auch noch Motive zu finden und Details zu erkennen. Doch von Motiven ist man immer umgeben, hier drängen sie sich förmlich auf. Letztendlich ist alles Motiv, entscheidend ist nur die Wahrnehmung und die Überführung per Vorstellungskraft und Kreativität in das Bild.
Nach einer intensiven Regenzeit der vergangenen Tage erwischen wir prächtiges Licht zu Beginn der Reise. Sanfte, teils zärtlich-schemenhafte Reflexe bestimmen die Stimmung. Kein harter, aus der Mitte des Himmels intensiver Strahl stört die Atmosphäre. Es ist das Licht des Herbstes und des Winters, das zum wahren Geschenk und Genuss wird für den Fotografen.
Und dann allen Ortes diese bezaubernden Spiegelungen in den Kanälen, die je nach Betrachtungswinkel immer neue Gemälde anbieten.
Spielen mit dem Morgenlicht
Am nächsten Morgen ist es noch dunkel, als wir uns aufmachen zur Accademiabrücke. Die fantastische Aussicht ist reich bestückt mit markanten Motiven. Die Lichter an den ufersäumenden Häusern, Palästen und Kirchen spiegeln sich im Canal Grande. Auf dem Wasser bewegen sich langsam Lastkähne, Vaporettos und kleine Motorboote. Ihre Beleuchtung lassen wir Spuren ziehen auf unseren Langezeit-belichteten Aufnahmen.
Und dann strahlt die Sonne durch eine Wolkenschleuse und verzaubert die Szenerie. Schnell stellen wir uns mit Grau- und Verlaufsfiltern auf die neue Situation ein und erkennen dann in zufriedenen Gesichter oder durch leises Jauchzen, dass so manche Aufnahme besser gelungen ist als gedacht.
Nach intensiver Bildbearbeitung im Hotel wartet am späten Nachmittag und Abend ein außergewöhnliches Schauspiel auf uns, das gerade Fotografen eine einmalige Chance bietet. Denn der erwartete Supermond ist heute wesentlich größer und strahlt intensiver als an „normalen“ Tagen. Eine Augenweide, zuletzt am Himmel vor über 60 Jahren und erneut zu sehen erst in 67 Jahren.
Bunte Fischerinsel
Rund eine Stunde sind wir am nächsten Morgen unterwegs nach Murano und Burano. Hat die legendäre Glasinsel Murano in den vergangenen Jahren an Attraktion verloren, weil immer mehr Manufakturen und Brennereien ihre Türen geschlossen haben, ist das Fischerdorf Burano ein Hingucker im wahrsten Sinne. Kaum setzt man den Fuß auf das kleine Eiland, sieht man, dass man hier Farbe bekennt. Schrille Töne in allen Farben mischen sich mit dezenteren Tönen über die ganze Insel. Trotz des wechselvollen Farbenspiels wird es einem nicht zu bunt. Dass gerade heute die Sonne mit voller Kraft vom Herbsthimmel strahlt, macht das Schauspiel noch intensiver. Ein Ort wie für Fotografen gemacht…
Am nächsten Morgen zerrt uns schon zu früher Stunde das blaue Licht aus den Federn. Die Blaue Stunde vor dem Sonnenaufgang im Kontrast zum weißen und gelben Licht auf dem Marcusplatz steht für Einmaligkeit. Wer diesen frühen Gang zu dieser verwunschenen historischen Stätte zu jener Zeit verpasst, ärgert sich im Nachhinein zu Recht. Doch dazu gibt es keinen Grund, weil natürlich wieder einmal alle am frischen Morgen unterwegs sind und sich schon am in aller Frühe mit eindrucksvollen Aufnahmen zu belohnen.
Die Rückkehr in unser gemütliches Hotel nach dem Sonnenaufgang mit dem morgendlichen Zauber auf den Speicherkarten ist ein kleiner Triumph. Und Neugier macht sich breit bei der anschließenden Sichtung der Bilder. Doch halt: jetzt ist wieder Struktur gefragt, Ordnung muss sein bei der Verwaltung der Bilder, die man ja gern später einmal wieder finden möchte. Disziplin ist angesagt beim Anlegen der Bibliothek, das freie Schaffen bis hin zum künstlerischen Chaos folgt später beim Entwickeln der RAWs.
Am frühen Nachmittag zeigen die Teilnehmer bei der ersten Bildbesprechung eine Auswahl ihrer bisherigen Werke. Die Referenten weisen auf Fehler hin und wie es besser gemacht werden kann. Diese gemeinsamen Betrachtungen bringen allen Teilnehmern wertvolle Erkenntnisse und Erhellungen, weil jeder auch vom anderen lernen kann und weil klar wird, wie mannigfaltig gleiche Motive fotografische gestaltet werden können.
Frischer Fisch und buntes Gemüse
Am Nachmittag dann ziehen wir wieder los mit dem Ziel, die Rialto-Brücke ins Visier zu nehmen. Am Canal Grande suchen wir einen idealen Platz mit gutem Blick auf das historische Bauwerk. Beim Sonnenuntergang zeigen sich rosafarbenen Streifenwolken am Himmel. Und nach kurzer Zeit haben wir dann in der Dämmerung wieder Gelegenheit zur Available-Light-Fotografie.
Unweit der Brücke besuchen wir am nächsten Morgen den Rialto-Markt, auf dem zur frühen Stunde vor allem frischer Fisch und buntes Gemüse und Obst feil geboten werden. Jetzt heißt es genau beobachten, den richtige Moment erwischen mit dem Auslösen der Kamera.
Am Nachmittag streifen wir durch das Ghetto, in das einst die Juden der Stadt verdrängt wurden. Auch heute noch ist der Stadtteil jüdisch geprägt, was sich in der Kleidung der Bewohner wie auch der Herstellung und Verarbeitung ihrer Nahrungsmittel zeigt.
Der vorletzte Tag der Reise ist geprägt von der Bildbearbeitung, einer Bildbesprechung und der Abschluss-Bilderschau, bei der die besten Bilder der Teilnehmer gezeigt werden, untermalt von klassischer italienischer Musik. Da macht sich ein Staunen und Raunen breit, was in dieser Woche doch fotografisch gelungen ist.
Alle Teilnehmer bekunden, dass sie viel mitnehmen von dieser Reise: Intensive Eindrücke dieser zauberhaften Stadt und viele Tipps und Ratschläge, wie sie künftig weitere Schritte gehen können auf ihrem fotografischen Weg.
Das Medium Fotografie hat uns in dieser Wochen näher gebracht und ist für jeden zu einem schönen Gruppenerlebnis geworden. Jung und alt haben sich prächtig verstanden, es gab viel zu lachen, gutes Essen, ein wunderbares Hotel.
Und, ach ja: Eine Goldene Hochzeit haben wir nebenbei auch noch gefeiert,,,
Bilder: Bernd Kupper und Manfred Horender
Bilder: Bernd Kupper und Manfred Horender
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